brasko in der zeitfalle


(fortsetzung von "brasko und der anruf aus der zukunft")




„hallo mr, brasko, ich habe ihren anruf erwartet. meine frau beichtete mir alles. sagen sie am besten nichts.“
„hören sie“, unterbrach ich ihn hektisch, „sie wissen gar nicht, was für eine canaille ihre frau ist.“
„hören sie auf, brasko!“ die stimme des physikers wechselte augenblicklich ins ordinäre. „sie sind draußen! sie sind aus dem spiel, haha.“
„sie spinnen doch. die geschichte mit dem anruf aus der zukunft nahm ich ihnen zu keinem zeitpunkt ab. dafür vögelt ihre nymphomane gattin alle schnüffler, die sie auf sie ansetzen.“
„und sie habe ich erwischt, brasko, haha! sie haben keinen auftrag mehr von mir. genaugenommen telefonieren sie überhaupt nicht mit mir, hahaha, genaugenommen gibt es sie gar nicht mehr ...!“ die stimme des physikers überschlug sich.
„wenn sie mir drohen wollen ...“, ich saß mit dem handy auf meiner terasse. dieser physiker strapazierte meine nerven. ich betrachtete das schattenspiel der birkenblätter auf meinem oberkörper. die sonne verbarg sich zwischen den ästen.
„brasko!“ schrie der verrückte ins telefon, „bei gelegenheit schauen sie mal auf datum und uhrzeit! dann wird es ihnen schon dämmern, haha! sie haben keinen auftrag, brasko! sie sind draußen! schönes wochenende wünsche ich! sie kennen doch den streifen „und ewig grüßt das murmeltier“?! hahaha!“ clic, der physiker hatte endlich aufgelegt. ich machte es mir wieder bequem. bei diesem auftrag war außer einer netten nacht nichts rumgekommen. ich setzte meine lektüre fort: „sechs tage und sieben nächte war enkidu auf, dass er die hure beschlief ...“ aber die lottozahlen könnte ich doch überprüfen, dachte ich und nahm einen langen zug erfrischend kalten gerstensaft. im radio lief eine politsendung, die mir merkwürdig bekannt vorkam. viel lieber hätte ich heinrich heine gehört. datum und uhrzeit? unwillkürlich blickte ich auf die datumsanzeige meines computers. „freitag, der 17. mai“. hitzewallungen durchfluteten meinen körper, und das herz schlug mir bis zum hals. ich clickte die nachrichten an. die ahnung wurde zur grausamen gewissheit. mit zittrigen händen nahm ich die flasche johnny walker vom regal und setzte sie an. meine notration für besonders heikle fälle. blitzartig schossen die gedanken durch meinen kopf: schönes wochenende ... kein auftrag ... eine zeitfalle ... eine verdammte zeitfalle ... „dolly“ hatte ihm ihren seitensprung gebeichtet, bevor er mir den auftrag gegeben hätte ... scheiße, warum ging das schief? ... der schlüssel aus dieser falle ist der auftrag ... ich brauche diesen verdammten auftrag! ich setzte die flasche ab und wischte mir mit dem handrücken über den mund. ich brauchte einen plan.


samstag. ich stand wieder am imbiß gegenüber der bäckerei im hauptbahnhof. diesmal mit der kavallerie im hosenbund und einem vollen flachmann in der jackeninnentasche. als grundnahrungsmittel diente mir bier. ich würde 2 brezeln kaufen und „dolly“ fragen. „mrs., erinnern sie sich an heute nacht. ich meine, vorgestern nacht? sie fahren einen roten ford fiesta. sie wundern sich bestimmt, dass ich das weiß. sie müssen mir aus dieser falle helfen! vielleicht stecken sie selbst in der falle. erinnern sie sich?“ stammelte ich, während sie die brezeln mit der zange in die tüte bugsierte.
„mr., ich kenne sie nicht. sie sind ja betrunken!“
ich bezahlte und begab mich zurück auf meinen aussichtsplatz.
„dolly“ kannte mich nicht. wahrscheinlich steckte sie nicht mit drin in dieser wochenendfalle. wenn ich erreichen wollte, dass mir ihr gehörnter ehemann morgen den telefonischen auftrag erteilte, musste ich für den spermafleck auf dem laken sorgen. und ich musste verhindern, dass sie ihrem mann beichten würde, was noch nicht passiert war – oder wahrscheinlicher: nie passieren wird. ich spürte, dass diesmal keine erotischen funken überschlugen, kein wink, kein eindeutiges lächeln. ich muß zu ihr nach hause, schlussfolgerte ich. nachdem „dolly“ ihre schürze an den nagel gehängt hatte, folgte ich ihr auf den parkplatz zu ihrem wagen. mit dem revolver klopfte ich an das seitenfenster. „mrs, sie haben heute abend einen gast.“ verängstigt öffnete „dolly“ die wagentüre, und ich zwängte mich auf den rücksitz.


ich fesselte „dolly“ mit isolierband an einen stuhl.
„was wollen sie?“ fragte sie.
„im prinzip müssen sie nichts machen, lady. wir werden hier warten. mehr darf ich ihnen nicht verraten. tut mir leid, wenn ich sie ängstige. aber mir ist es verdammt ernst!“
„mr., sie sind betrunken. binden sie mich los, verschwinden sie, und ich vergesse das ganze.“
„haben sie diesen spruch aus dem fernsehen?“
„ich werde besuch bekommen.“
„nein, werden sie nicht.“
ich schritt zum videoregal. nach kurzem suchen hatte ich das richtige gefunden. ich legte die kasette ein, flezte mich auf das weiche satinlaken, und tat, was getan werden musste.
„sie schwein!“ kreischte „dolly“ aus ihrer ecke, „sie sind ein perverser!“
mein blick fiel auf eine in die wand eingelassene bar.
„wollen sie auch`n drink, lady?“ fragte ich.


ich erwache in einem kahlen raum. vier weiße wände. ich drehe meinen kopf. tageslicht durch ein dick verglastes, quadratisches fenster hinter mir. vor mir eine stabile tür mit spion. ich kann mich nicht rühren. ich registriere, dass ich angeschnallt auf einer art bahre liege. ein schlüssel dreht sich im schloß. zwei männer treten ein. sie stehen zu meinem fußende. der typ im trenchcoat ist ein cop. klarer fall. der kleine, dicke im weißen kittel ein psychiater. mein gehirn funktioniert.
„guten tag mr. brasko. wie geht es ihnen?“ fragt der kleine.
„ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern. welches datum haben wir? wie spät ist es?“
„sonntag, der 19. mai, gegen 18uhr“, antwortet der schlacksige cop.
„danke. ich hatte einen fürchterlichen alptraum.“
„sie befinden sich im delirium“, klärt mich der doktor auf.
„und sie sind ihre lizens los“, sagt der cop, „hausfriedensbruch, sachbeschädigung, sexuelle nötigung und freiheitsberaubung.“
„ach, sie meinen die spermaflecken? haha, die mussten sein. sagen sie mir bitte noch mal, wie spät es ist. ich kann es nicht glauben. sachbeschädigung? kann mich gar nicht erinnern, haha.“
der doktor blinzelt mitleidig über seine brillengläser. der cop fixiert wie versteinert eine unebenheit der weißgetünchten wand hinter mir.
„ein sehr wertvolles telefon. eine technische neuentwicklung“, sagt er monoton.
„das klingt gut“, sage ich, „sie sollten die überreste dieses telefons untersuchen. der physiker telefonierte damit in die vergangenheit. mich hielt er in einer zeitfalle gefangen. ich wäre dazu verdammt gewesen, ewig im gleichen wochenende zu leben. er hatte mich mit einem auftrag gelinkt, den er mir dann gar nicht erteilte. verstehen sie, haha?“
„wir werden sie eine weile hier behalten müssen, mr. brasko.“ der kleine doktor bedeutet dem cop, indem er ihn am ärmel zupft, zu gehen. die tür fällt hinter ihnen ins schloß. erleichtert denke ich, dass ich es geschafft hatte, dem zeitgefängnis zu entfliehen. ich bin stolz auf mich. womöglich hatte ich mir den auftrag selbst mit diesem geheimnisvollen telefon erteilt und es hinterher zerstört. das war schnüfflerinstinkt. woher kannte der cop meine identität? ach so, die registrierung der waffe. ich bin müde. ich rede mit mir: „stelle dir vor, wie viele menschen vielleicht in solchen zeitfallen stecken ... . nicht auszudenken. glatter horror. und sie können nicht entkommen. sie werden verrückt, sie werden zu amokläufern oder sich umbringen ... .“
der glatte horror, denke ich auf meiner pritsche und schlafe ein.
ich träume von meiner terasse, kaltem bier aus dem kühlschrank und dem „gilgamesch-epos“.


„heute ist die trommel mir in die erde gefallen.
die trommelstöcke sind mir in die erde
gefallen.“
enkidu antwortete dem gilgamesch:
„die trommel aus der erde werde ich holen.
die trommelstöcke aus der unterwelt werde
ich holen!“
damals kehrte enkidu aus der erde nicht nach
oben zurück.



16.05.2002 11:39 von margot

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