Der universelle Pfeifenraucher




Einen Stock über mir poltert es unregelmäßig aber unaufhörlich bis spät in den Abend. Mal vibrieren die Wände, mal sind die Stöße verhaltener. Ich nehme an, dass der Junge von oben das Zimmer seiner Mutter als Spielwiese nutzt, während diese sich mit irgendwelchen Kerlen herumtreibt. Konzentration fällt mir schwer, meine Phantasie ist von der einstürmenden Wirklichkeit geschwächt. Sie hat ihre Schwere verloren und schwappt hilflos wie ein Korken auf den oberen Wellen dieses müden, trägen Tages. Die Wirklichkeit indes kommt mit Heerscharen ungeordneter, kaum zu identifizierender, zerlumpten Gedanken angeflogen und schlägt zu wie eine Schwemme, eine lebendige, unbeherrschbare Kloake - was ich stirnrunzelnd, frustriert und gelangweilt zur Kenntnis nehme. Mir bleibt, auf das Hämmern der Zeit zu hören, das in menschliche Sprache gekleidet über meinen Stereoempfänger und durch meine Stereoohren zu meinem Hirn durchdringt. Informationen, Bilder, Begriffe, die sich flüchtig ordnen und den ungebündelten, unangenehmen Gedankensud ein wenig eindämmen. Die Missgeburten lösen sich auf zu diffusem, komplexem Gewebe, das meine Körperbefindlichkeit in Gefühle kleidet, Gefühle voll lähmender Schwermut, deren Gewebe dazu angetan ist, mir die Luft abzuschnüren.
Ich erwache aus meinen inneren Kämpfen. Das Poltern über mir legt eine Pause ein. Ich warte auf Petra, die ich vorhin am Telefon hatte. Sie wird mir einige Musik-CDs abnehmen, damit ich nicht auf dem Trockenen sitze. Eigentlich will ich nicht den ganzen Tag in der Bude rumsitzen, aber was soll ich machen? Der Alkohol - ich stöhne auf - die Versuchung. Der Weg ist verdammt steinig, und ich bin ein einsamer Wanderer: Es ist eine ganze verdammte Steinwüste! Ich sehe keinen Weg nich` ...
Armin ist nicht zu Hause oder nimmt jedenfalls nicht ab. Es hätte mich interessiert, was er Weihnachten macht, und ob er beim letzten Termin mit seinem Anwalt meine Problematik ansprach.
Petra kommt erst morgen Früh. Ist das nun ein Glück? Der kleine Rüpel über mir ist ausdauernd. Meine Unruhe wächst wieder. Wie oft wiederholen sich die Uhrzeiten und die Ordnungen? Die Einsamkeit in einer vollen Welt kurz vor Weihnachten ... hat den Schnupfen.

Ein Muster aus Geburt und Vernichtung.
Werdung und Vernichtung sind universell ineinander verwoben.
Zu einem universellen Pfeifenraucher.
Stopfen und Rausblasen.
Stopfen und Blasen.



(1994)

LadylikeKandis - 08.11.2008 18:29

ja

herr bon...stopfen und rausblasen-stopfen und blasen....doch haben sie eines vergessen:

in der mitte: das inhalieren!
somit wird in dem muster der geburt und vernichtung eine mitte eingesetzt...ein bisschen leben können wir alle, das liegt in unserem naturell verborgen und wird uns sogar umsonst gesponsert..wir müssen nichtmal danach betteln..

lg lady
p.s. ich fange an ihre texte zu verschlingen....

bonanzaMARGOT - 08.11.2008 18:48

hi! das freut mich!
die mitte habe ich nicht vergessen. ohne die müßte man nichts stopfen und rausblasen.
LadylikeKandis - 08.11.2008 19:05

*lächel* obwohl man ja bei pfeife nicht inhaliert sondern vielmehr inne-hält;-)))
bonanzaMARGOT - 08.11.2008 19:21

als nichtraucher habe ich von der praxis wenig ahnung.

ich bin nur simpler luftatmer, evtl. passivraucher - ein universeller passivraucher.
LadylikeKandis - 08.11.2008 19:26

ach so^^

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