Der Verdacht




1

Das Leben, das eigentliche Leben, das Leben an sich,
das Leben pur
lastete auf ihm, lag auf ihm, bedeckte ihn ganz
und gar, vollständig und schwer,
bitter schwer wie Erde.

Dieses Leben, das eigentliche Leben, das Leben
von Tag zu Tag, vom Frühstück zum
Abendessen, von Bier zu Bier
passte so gar nicht - warum wusste er nicht,
würde er nie wissen - in seinen Kopf.

Er führte ein einsames Leben, ein verlorenes Leben,
ein von vorneherein verlorenes Leben
(manchen Tag schien es ihm vielleicht aus Melancholie);
jedenfalls fühlte er die Schwere
ganz so, als läge er schon begraben.



2

Er schöpfte reichlich spät Verdacht, und der Verdacht war
vage, ein gänzlich vager Verdacht
zuerst, so dass er ihn beiseite schob - Unsinn! dachte er,
ich muss verrückt sein ...;
aber das Leben ist doch ziemlich nebulös.

Wie, wenn das Leben nicht echt wäre, ich meine: wirklich
nicht echt, das Leben um mich herum(?) - ich kenne schließlich
nichts anderes, nur diese Welt, diese einzige Welt, wie sie
auf mich zukam und sich wieder
davonmacht.

Nicht echt, das heißt nicht etwa falsch, sondern irgendwie
anders, ganz anders als meine Vorstellung, anders als
falsch oder verkehrt;
der Verdacht kam aus meinem Innern, wie etwas, das permanent
anklopft - ich weiß wirklich nicht, ob das nur
Einbildung sein kann ...

Mein Verdacht erhärtete sich mit der Zeit, ich wurde älter,
oder: ich glaubte, mehr auf meine Phantasie hören zu müssen,
sie ernst zu nehmen, aber doch nicht
todernst - eine Erklärung fand sich einfach nicht für
das Leben, meine Existenz und all das Andere.



3

Ihr wollt sicher wissen, wie es weiterging, wie sich das
entwickelte mit seinem Verdacht, diesem Verdacht (?), dass
alles nicht so war, wie es war; dass da was Verborgenes
lauerte - wie auch immer - man wartet auf eine Eingebung,
einen Kick, damit sich alles ändern würde,
ich meine, wirklich alles!

Dieser Verdacht erdrückt nun sein Leben, er erstickt ihn
förmlich, er setzt sich auf sein Gesicht wie ein nacktes,
fettes Weib; seitdem ringt er um Atem, keucht in der
Anstrengung, endlich eine Antwort zu bekommen ...;
aber es ist sinnlos, ganz und gar sinnlos - genau so
gut könnte man auf den Weihnachts-
mann warten.





(...)

Belleeer - 10.04.2009 12:59

och nööö, vielleicht musst du einfach mal ein paar Atemübungen machen? Freundlich lächel, aufmunter?...

bonanzaMARGOT - 10.04.2009 13:05

witzbold.
Belleeer - 10.04.2009 14:02

hej, Du hast mich verstanden...
bonanzaMARGOT - 10.04.2009 14:14

hast du mich verstanden?
Belleeer - 10.04.2009 15:29

ich denke schon, im Rahmen meiner Möglichkeiten...
erkläre es mir doch, falls nicht... ich habe mich sehr
viel mit diesen Themen befasst...
bonanzaMARGOT - 10.04.2009 15:38

nun, dein ratschlag mit den atemübungen, belleeer, greift mir gedanklich einfach zu kurz. darum ging ich darauf nicht ein.
bisher hast du nicht (sichtlich) gezeigt, dass du dich mit "diesen" themen sehr befasst.
es geht ja um eine tiefgehende persönliche auseinandersetzung mit dem leben, der existenz. es geht sicher nicht um das wiedergeben irgendwelcher aufgenommener weisheiten und plattitüden.

(nobody is perfect.)
Belleeer - 11.04.2009 09:23

schau, das ist es eben, Atemübungen gehen sehr tief... hast Du es schon probiert? Der Vorschlag ist ernst zu nehmen! Lebe die Weisheiten, setze sie um und Du wirst weiter sehen... Yoga, etc. ist ein WegWege, der Dir hilft, über den Körper den geistigen Wahrheiten näher zu kommen... es geht sicher nicht um das Wiedergeben von Platitüden, als eher um das Näherbringen der zugrundeliegenden menschlichen Weisheiten... und hast Du, oh er, nicht irgendwo Atemprobleme?
bonanzaMARGOT - 11.04.2009 09:43

nein, ich habe keine atemprobleme, belleer, und benötige auch keinerlei klugen ratschläge zur lebenshilfe (auch wenn sie gut gemeint sind).
im gedicht verarbeite ich, wie bereits mehrfach geäußert, eine kritische auseinandersetzung mit den welt(-sichten) und deren sinnhaftigkeiten. im verlaufe dieser auseinandersetzung erfährt das lyr-ich das gefühl der schwermut, welches ihm schon mal die luft nimmt - im übertragenen sinne. es geht dabei um ängste und unsicherheiten, welche zwar auch symptomatisch durch atemübungen bekämpft werden können, die sich aber mit atemübungen nicht einfach aus dem weg räumen lassen.
Belleeer - 11.04.2009 11:19

hat der SinnSuchende es versucht? Ich kenne da eine, die hat Erstickungsanfälle, schiebt das aber auf äußere Umstände, statt mal ins Innere zu schauen... manchmal ist das Ferne doch so nah...
bonanzaMARGOT - 11.04.2009 11:28

noch mal für taube: ich habe weder atemprobleme noch erstickungsanfälle.
ich brauche kein yoga und (zur zeit) keine atemübungen. ich habe genügend muse in meinem alltag, um in mich zu gehen - ganz ohne anleitung und auch ohne religiös-ideologische einfärbung.
fata morgana - 10.04.2009 15:05

manchmal
kommen antworten
wenn man aufhört
danach zu suchen

...manchmal

bonanzaMARGOT - 10.04.2009 15:09

hi fata

kann sein.
aber wie hört man auf zu suchen?
fata morgana - 10.04.2009 15:21

gute frage -
auf der suche ist man (s)ein leben lang...
doch vielleicht aufhören 'primär zu suchen' - klingt komisch, ich weiß...

leben, ohne ständig alles zu hinterfragen (?)
eins sein mit sich selbst...
?

wenns verwirrend klingt, es sind meine müden 'nachtschichtgedanken', vielleicht kennst du das ja :-)
bonanzaMARGOT - 10.04.2009 15:28

gute antworten bedingen gute fragen.

mit dem "primären" gebe ich dir schon recht. im prosagedicht werden die suche sowie die befremdung verdichtet vorgetragen.
ich mache mir über solche existentiellen themen oft den kopf, aber ich kann auch einfach im leben leben. es gehört einfach zu mir. diese suche ist meine suche.
der "desperado" in mir ist (auch) bestandteil meines glücks.
fata morgana - 10.04.2009 15:42

mir ist diese, deine suche nicht fremd...
bonanzaMARGOT - 10.04.2009 15:49

merci. es wäre komisch, wenn niemand diese "fata morgana" des daseins mit mir teilen würde.
mit all der tragik ...

glück und tragik bedingen sich wahrscheinlich wie geburt und tod.
sehnsuchtistmeinefarbe (Gast) - 11.04.2009 08:48

guten morgen bon,

was genau ist eigentlich "das problem"? dass es verschiedene wahrheiten gibt, ist ja längst bekannt. warum soll es also nicht auch verschiedene weltbilder geben? unterschiedliche menschen schauen mit ihren augen in und auf situationen auf unterschiedliche weise.
das suchen hört auf, indem man im jetzt (gegenwart) verweilt, und/oder indem man in die stille geht. alles ist schon da.
schöne ostern übrigens.
lg s.

sehnsuchtistmeinefarbe (Gast) - 11.04.2009 08:49

ganz vergessen...

schöner text übrigens. :-) gefällt mir sehr.
bonanzaMARGOT - 11.04.2009 09:18

welches problem meinst du, sehnsucht? (das in dem wortwechsel mit belleeer?)

das gedicht schildert die innere verfassung eines menschen, welcher mit der sinnhaftigkeit und der "echtheit" des lebens/der sogenannten wirklichkeit hadert. er sucht nach erklärungen, nach eingebungen, welche ihm bei der sicht auf die welt weiterhelfen.
sicherlich ist alles schon da. aber ist das, was wir meinen, das da ist, auch wirklich alles? oder ist es möglicherweise ein blendwerk, eine irritation, eine vorführung? (eine fata morgana?)
dass andere menschen die welt mit anderen augen sehen, ist unbestritten. manche werden sicher nie auf die idee mit dem "verdacht" kommen.
das suchen kann in diesem fall gar nicht aufhören, weil es substantiell teil des lyr-ichs ist.

danke für deine gedanken dazu.
bon.

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