Brasko und die Entführung des Bundespräsidenten




I


Brasko war müde. Der Winter steckte ihm förmlich in den Gliedern. 2012, das Jahr des prophezeiten Weltuntergangs hatte begonnen. Sonst gab`s nicht viel Neues. Charlie Sheen wurde in der Comedy Serie „Two and a half men“ durch Ashton Kutcher ersetzt, der deutsche Bundespräsident stand unter Medienbeschuss, und der Winter hatte bisher nur Schmuddelwetter parat – außer in den Alpen, da waren die Winterurlauber eingeschneit.
Das Telefon klingelte.
„Brasko.“
„Bundespräsident W., Mr. Brasko, Sie wurden mir empfohlen.“
„Schön.“ Brasko bohrte sich nachdenklich in der Nase.
„Sie haben bestimmt mitbekommen, wie sehr meine Person derzeit durch den Schmutz gezogen wird.“
„Hm.“
„Ich hätte ein heikles Anliegen. Aber nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von mir bekommen, Mr. Brasko.“
„Hm. Und worum geht`s, Herr Bundespräsident? Hat Ihre Frau einen Liebhaber?“
„Oh nein, nein! Ich äh … leide sehr unter dieser Medienkampagne. Ich sinke in der Beliebtheit bei der Bevölkerung. Das Amt des Bundespräsidenten ist beschädigt! Mit dem Ganzen muss endlich Schluss sein! Ich meine, - ich habe da eine Idee.“
„Schießen Sie los!“
„Entführen Sie mich, Mr. Brasko!“
Brasko wäre beinahe der Hörer aus der Hand gefallen, aber er fasste sich schnell wieder und meinte nur lakonisch: „Warum nicht.“
Bundespräsident W. erklärte ihm in kurzen Sätzen, was er mit einer vorgetäuschten Entführung bezweckte, und wie sie ablaufen sollte. Alles musste sehr diskret und professionell gehandhabt werden. „ … und darum dachte ich, dass Sie der richtige für den Job sind, Mr. Brasko."
„Schon möglich. Und Sie sind sicher, dass Ihr Telefon nicht abgehört wird?“
„Natürlich. Halten Sie mich für einen Dilettanten!?“
Brasko verkniff sich einen Kommentar. Das Honorar würde er gut gebrauchen können, um diesem Winter entfliehen zu können – auf die Fidschis oder sonst wo hin.
„Es ist Ihr Risiko. Wenn es schief geht, sind Sie ganz unten durch.“
„Mr. Brasko, ich träumte schon als Kind davon, Bundespräsident zu werden. Nun bin ich es. Und ich will es bleiben! Ich will, dass die Menschen wieder zu mir aufschauen. Verstehen Sie?“
Leben und leben lassen, dachte Brasko. Auch wenn`s totaler Bullshit war. Die Sache war abgemacht. Man vereinbarte ein geheimes Treffen, um die Details zu besprechen.
Außer dem Weihnachtsmann war der Bundespräsident Braskos prominentester Kunde. Wahrscheinlich hatte er sich mit dem Auftrag eine Menge Ärger aufgehalst.
Was soll`s.
Der Bierkasten unter dem Schreibtisch war halb leer. Im TV liefen noch Folgen einer alten Staffel von "Two and a half men".




II


„Wie gefällt es Ihnen in St. Moritz, Mr. Brasko?“
Sie saßen zu Dritt an einem Tisch in der Hotelbar. Der Bundespräsident, seine Gattin und Brasko. Der Bundespräsident war ein schlaksiger Typ. Brasko hätte ihn sich als Oberarzt in der Schwarzwaldklinik gut vorstellen können. Er wirkte etwas unbeholfen, als wäre er ständig in Gedanken. Brasko kannte diesen abwesenden Blick von Demenzkranken. Die Präsidentengattin versprühte da schon wesentlich mehr Leben. Und erst ihre Figur! Allerdings kam sie bei allem leicht arrogant rüber.
„Wissen Sie, ich fahre kein Ski. Aber der Schnee gefällt mir.“
„Verstehe.“
„Und Sie wollen es immer noch, Herr Präsident?“
„Ich habe mir alles haarklein überlegt.“
„Ihre Bodyguards?“
„Die lenkt meine Frau ab.“
„Ja, das könnte klappen,“ Brasko grinste blöd. Die Präsidentengattin grinste blöd zurück.
„Sie kapern das Schneemobil und dann …,“ der Bundespräsident nahm einen kräftigen Schluck von seinem Martini und erhob sich, „entschuldigen Sie mich, ich muss mal.“

„Denken Sie, was ich denke, Mr. Brasko?“ Die Präsidentengattin wollte offensichtlich die Gelegenheit nutzen, um mit Brasko unter vier Augen zu sprechen.
„Ich weiß nicht, was Sie meinen, Frau W..“
„Also ohne Umschweife. Ich halte die Idee von meinem Mann für total hirnverbrannt. Aber leider konnte ich ihn nicht davon abbringen.“
„Da mögen Sie recht haben. Aber es ist nicht meine Sache, den Geisteszustand meiner Auftraggeber zu beurteilen.“
„Klar. Doch wir könnten das Ganze abbiegen. Ich meine, so dass Sie trotzdem Ihr Stück vom Kuchen abkriegen. Und außerdem wäre das Risiko minimiert.“
„Ich höre … Wie lange bleibt Ihr Mann schätzungsweise auf der Toilette?“
„Eine ganze Weile. Er entleert sich immer ziemlich lange. Also, mein Gedanke war, dass es erst gar nicht zu der Entführung kommt. Und zwar ...“, die Präsidentengattin schaute einen Moment versonnen in ihren Martini, "... nicht, dass Sie einen falschen Eindruck von mir bekommen, Mr. Brasko.“
„I wo, ich hatte schon einige seltsam gelagerte Fälle.“
„Ich hätte da nämlich einen Plan ...“
Sie erzählte Brasko, was sie sich ausgedacht hatte, und das war nicht übel. Es war sogar ganz ausgezeichnet. Der Bundespräsident kehrte zurück an den Tisch. Über St. Moritz war der Mond aufgegangen. Es würde eine wunderbare Winternacht werden.




III


Sie trug ein durchsichtiges Seidennachthemd.
„Wie finden Sie mich, Mr. Brasko?“
„Sexy. Und Ihr Mann schläft?“
„Der schnarcht wie ein Murmeltier. In den letzten Martini kippte ich ein Schlafmittel.“
„Sie sind sicher, dass Sie es wollen?“
„Ja“, die Präsidentengattin ließ ihr Nachthemd sanft auf den Boden gleiten. Brasko war perplex. Sie war zwar nicht gerade Liz Taylor, aber es war alles an ihr dran, wie ein Mann es sich wünschte.
„An Ihnen ist alles dran!“ sagte er und zog sie zu sich an seinen Körper.
„Oh, Mr. Brasko!“
„Yeah!“
Sie fielen zusammen aufs Bett. Augenblicklich machte sich Brasko über ihre Nippel her. „Sind die echt?“ fragte er zwischendurch. Er meinte ihren fantastisch wohlgeformten Busen.
„Aber jaaaaaaa!“
Mit den Händen knetete er ihren Arsch. Brasko war ziemlich geil und wäre am liebsten gleich aufgesprungen. Auf die First Lady gesprungen. Wie ein Bock. Von Vorne oder von Hinten. Scheiß egal. Braskos Schwanz war gefühlte tausend Meter lang. Er durchstieß damit die Decke und kitzelte ein paar vereinsamte Wolken am Nachthimmel.
„Ohhhh! Mr.,Brasko!", hauchte sie ihm immer wieder ins Ohr.
Warum sollten Präsidentengattinnen nicht gut ficken können? Womöglich fickten sie sogar besonders gut. Oder man bildete es sich wenigstens ein. Wie auch immer. Brasko jedenfalls genoss es. Ein bisschen verliebte er sich sogar. Er kannte diese seine Schwäche. Er legte zu viel hinein in einen Fick. Er nahm die Frau aus allen Himmelsrichtungen. Wie konnte man danach wieder auseinandergehen, als wäre nichts passiert?

Plötzlich klopfte es an der Zimmertüre.




IV


Brasko hielt den Bundespräsidenten für ein Arschloch. Er war kein Arschloch, das sich von den üblichen Politikern besonders abhob. Weder im Negativen noch im Positiven - einfach viel zu platt und kleinkariert für einen Bundespräsidenten, der Deutschland vertreten sollte. Angela hatte sich damals verzockt. Nun ließ es sich aber nicht einfach rückgängig machen. Und die Deutschen sollten mal wieder alles hinnehmen. Na gut, es gibt schlimmeres als einen Bundespräsidenten, der … zu doof für den Job war. Brasko hielt den Bundespräsidenten nicht nur für doof sondern für regelrecht dämlich. Damit meinte er, dass es Leute gab, die ihm einen Brechreiz verursachten. Berufsbedingt musste er mit diesen Arschlöchern umgehen. Ansonsten hätte er sie am liebsten abgeknallt! Wie war das mit dem Honorar?
Plötzlich klopfte es an der Zimmertüre. Brasko fickte die Gattin des Bundespräsidenten gerade in den Popo …
„Mist“, sagte sie.
„Scheiße Mist“, sagte er und zog seinen Mordsschwanz aus ihr raus.
Wer konnte das sein?
Brasko schlüpfte schnell in seinen Bademantel und ging zur Tür.

Er schaute in eine doppelläufige Schrotflinte.
„Ich bin der 1. Sekretär des Präsidenten!“
„Hallo. Ich bin Brasko.“
„Was riecht denn hier so komisch?“
„Keine Ahnung.“
„Sie lassen sofort die Präsidentengattin frei, oder ich schieße!“
„Klar doch – Bettina! Es ist der 1. Sekretär deines Manns! Allerdings bewaffnet. Kommst du mal bitte.“

Ein Schuss fiel!
Brasko wurde nach hinten ins Zimmer katapultiert. Das letzte, was er sah, waren Bettinas Titten –




V


„Wo bin ich?“
„In der Schwarzwaldklinik, Mr. Brasko. Schön, dass Sie wieder bei uns sind. Sie lagen fast 6 Wochen im künstlichen Koma. Nach diesem verheerenden Unfall ...“
„Schwarzwaldklinik? Ist das ein Witz? Und Sie sind Prof. Brinkmann, oder wie? Und dann – was für ein Unfall?“ Brasko konnte sich an nichts erinnern. Da war nur ein großes schwarzes Loch. Er starrte auf den Arzt neben seinem Krankenbett, der ihm merkwürdig bekannt vorkam. Ein schlaksiger Typ in weißem Kittel und mit einem Nasenfahrrad. Hinter ihm stand eine Krankenschwester. Nicht übel das Gefährt, dachte Brasko. Der Arzt sollte mal etwas zur Seite treten, damit er ein besseres Blickfeld auf diese Schönheit hätte.
„Sie liegen in einer Spezialklinik. Ihre gesamte rechte Schulter musste erneuert werden. Sie hatten einen grausigen Skiunfall“, und zur Schwester gewandt sagte der Arzt: „Schwester Bettina, kümmern Sie sich bitte um unseren Patienten, damit er wieder ein wenig Orientierung gewinnt. Schließlich verschlief er eine ganze Zeit.“
„Natürlich Herr Doktor,“
Der Arzt lächelte gutmütig, als er in das verdutzte Gesicht seines Patienten blickte.
„Ein partieller Gedächtnisverlust ist nicht ungewöhnlich bei solchen Traumata. Und wahrscheinlich wird das Gedächtnis auch nicht vollständig zurückkehren. Schwester Bettina wird alle Ihre Fragen beantworten, Mr. Brasko. Und nun entschuldigen Sie mich bitte.“
Der Arzt wendete auf dem Absatz und verließ wehenden Kittels das Zimmer.
„Das war Oberarzt W.“, sagte Schwester Bettina, „ein Spezialist für plastische Chirurgie. Er rettete Ihr Leben und Ihre Schulter.“
„Aber ich kann überhaupt nicht Ski fahren“, stammelte Brasko.
Schwester Bettina schaute ihn mitleidig an. „Es wird eine Weile dauern, bis Sie sich wieder zurecht finden. Soll ich jemanden aus Ihrem Freundeskreis informieren?“
Auch diese recht hübsche Schwester Bettina kam Brasko merkwürdig bekannt vor. Eine Menge Fragen schwirrten ihm durch den Kopf. Aber auf die meisten würde die Krankenschwester auch keine Antworten haben. Er war müde und durcheinander. Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass ihn eigentlich niemand vermisste. Er lebte schon lange Zeit beinahe wie ein Einsiedler, - unterhielt lediglich Gelegenheitsbekanntschaften.
„Welches Datum haben wir eigentlich?“
„Den 16. Februar 2012, Mr. Brasko.“
„Und, habe ich was verpasst?“
„Wie meinen Sie das?“
„Ich weiß nicht ...“, Brasko schaute sich in dem Krankenzimmer um. Er lag in einem Zweibettzimmer. Das andere Bett war leer.
Schwester Bettina bemerkte seinen Blick und sagte: „Wir werden Sie bald verlegen, nun, da Sie wach sind. Dann werden Sie Gesellschaft haben.“
Brasko lächelte plötzlich. „Sie können doch jemanden informieren, Schwester Bettina.“
„Aha! Und wen?“
„Die Freni aus Cottbus ...“




VI


Bei einer Amnesie ist es für den Betroffenen schwer, Phantasie und Realität klar abzugrenzen. Die Erinnerungslücke macht sich selbstständig. Sie tut, was Lücken allgemein tun. Sie nerven wie z.B. Zahnlücken. Irgendwann schaut man aus Selbstschutz nicht mehr so genau hin. Brasko wusste, dass er wahrscheinlich an einem Auftrag gearbeitet hatte. Und er wusste, dass ein Skiunfall ziemlich unwahrscheinlich war. Oder hatte er sich besoffen auf die Bretter gestellt? Ganz abwegig wäre dies nicht. Wieso nahm sein Auftraggeber nicht Kontakt mit ihm auf, nachdem er aus dem Koma aufgewacht war? Hatte er in St. Moritz am Ende nur ein Sexdate? Und die betreffende Dame ersparte sich mögliche Unannehmlichkeiten?
Niemand hatte nach ihm gefragt – das versicherte ihm Schwester Bettina. Nicht mal die Polizei.

Brasko erholte sich zusehends. Man verlegte ihn in ein Vierbettzimmer, in dem bereits zwei Witzbolde lagen. Der eine hatte kein Gesicht mehr und hoffte, wieder eins verpasst zu kriegen. Sein Kopf war total von Mullbinden umwickelt. Er konnte nicht sprechen und gestikulierte nur herum oder machte gar nichts. Der andere war wesentlich gesprächiger – ein schwäbischer Förster, der seinen Unterarm in einem Hexler verloren hatte. Oberarzt W. wollte ihm den eines tödlich verunglückten Motorradfahrers annähen. „Er hat ihn noch vom Sommer in seiner Tiefkühltruhe“, witzelte der schwäbische Förster, "er muss ihn nur noch auftauen, haha!“ Der Typ mit den Mullbinden um seinen Kopf lutschte oft an seinem Daumen. „Haha!“ schrie der Förster, „die Mumie will Dir einen blasen! Haha!“ Brasko grinste, „wie ist das eigentlich passiert mit deinem Unterarm?“
„Wenn ich das wüßte“, der Förster war immer noch am kichern, „ich muss total strack gewesen sein, haha!“
„Apropos …, kommt man hier irgendwie an ein Bier??“
„Ne, vorher schieße ich Dir `nen Yeti, haha!“
„Ach so, Mist!“
Brasko mochte weder den Förster noch die Mumie besonders. Aber sie bedeuteten wenigstens menschliche Gesellschaft. Wenn sie nachts nur nicht so viel furzen würden!
Er hatte sich mit der Tatsache abgefunden, dass er einen schweren Skiunfall unter sehr merkwürdigen Umständen gehabt hatte. Musste man allem im Leben auf den Grund gehen?
Er war mehr Hanswurst als Detektiv. Immer schon gewesen. Brasko lebte davon, dass es noch dämlichere Leute als ihn gab, und außerdem musste er wohl einen Schutzengel haben.

Die Mumie hatte mit dem Daumenlutschen aufgehört, und der Förster war bei der Lektüre des Playboys eingeschlafen.
Schwester Bettina betrat das Zimmer und wand sich gleich an Brasko.
„Sie haben Besuch.“




VII


„Brasko, Du Armleuchter, was hast Du Dir denn schon wieder angetan? Kannst Du Dich noch erinnern, als ich Dir sagte …, dass du mit dem Alkohol niemals frei sein kannst. Und dabei ist doch „Freiheit“ dein einziges und großes Anliegen in deinem Leben!“
„Ja, Mama.“
„Ach, Kind“, sie umarmte ihren Sohn. Brasko war verlegen.
„Mama, ich danke Dir für Deinen Besuch. Aber lasse mich bitte los! Gehe mir nicht auf den Sack!“
„Mein Schatz, Brasko, wen habe ich denn sonst noch?!“

Scheiße, dachte Brasko. Er hatte eigentlich auf einen anderen Besuch gehofft. Langsam wurde ihm klar, dass Freni nur ein Abbild seiner Mutter war. Nur eben anders. Mit solchen Frauen fing man besser nichts an. Braskos Mutter war seit zwei Jahren tot. Freni stand an seinem Krankenbett und hielt ihm eine Standpauke.
Er erinnerte sich an eine Folge von „Two and a half men“, als Charlie eine Tussie fickte, die total der eigenen Mutter ähnelte. Er wollte es nicht wahrhaben, doch da war es schon zu spät …

Brasko umarmte Freni.
Die Mumie zeigte den Stinkfinger.
Und der Förster sagte: „Hey, Baby, Du hast aber `ne ziemlich junge Mom!“





VIII


Immerhin war sie gekommen - der einzige Besuch, den er im Krankenhaus hatte. Es war Wochenende, und Freni übernachtete im Dorf, um am nächsten Tag in Ruhe die lange Heimfahrt anzutreten. Brasko durfte inzwischen aufstehen. Sie gingen ein paar Schritte vor die Tür.
„Schöne Gegend hier!“ Freni schaute verträumt auf die bewaldeten Berghänge.
„Ja, der Schwarzwald – nicht übel“, brummte Brasko und schaute Freni auf den Arsch. Sie hatte sich gut gehalten. Schließlich war sie auch nicht mehr die Jüngste.
„An was für einer Story warst Du denn dran, Meisterdetektiv?“ Sie konnte es sich einfach nicht verkneifen, ab und zu schnippisch zu werden.
„Wenn ich das wüsste … Die Erinnerung daran ist total verschütt. Ich hatte kürzlich einen verrückten Traum von der Entführung des Bundespräsidenten ...“, Brasko lachte, „was für ein Blödsinn!“
„Aber vielleicht war da wirklich was mit dem Bundespräsidenten?“
„Der wurde doch nicht etwa tatsächlich entführt?“ Brasko grinste immer noch in Gedanken an seinen Traum.
„Nein.“
„Also, was soll`s. Mehr als merkwürdig ist nur, dass ich einen Skiunfall gehabt haben soll, wo ich gar nicht Ski fahre.“
„Wie geht`s denn der Schulter?“
„Fast wie neu. Was man heute chirurgisch nicht alles machen kann. Nur die Erinnerung kann mir niemand wiedergeben.“
„Nein – äh – ja, meine ich. Oberarzt W. sieht übrigens ein bisschen wie der Bundespräsident aus.“
„Ach? Das ganze Leben ist voll von merkwürdigen Ähnlichkeiten, und wir kommen nicht hinter die Bedeutung. Ich denke dann oft, da will mir jemand ein Zeichen geben, aber ich kapier`s nicht. Ich hab`s vor Augen, aber ich sehe es nicht ...
Ist der Bundespräsident noch der Bundespräsident?“
„Ja, er saß die Affäre aus. Und dann verunglückte ein Kreuzfahrtschiff; und er rutschte peu à peu aus den Schlagzeilen.“
„Egal“, Brasko zuckte mit den Schultern, „Autsch! Verdammt!“
„Tut doch noch weh.“
„Nur bei unwillkürlichen Bewegungen. Schön, dass du da bist, Freni.“
„Ehrlich? Das hörte sich vorhin ganz anders an.“
„Ehrlich! Hat Dein Hotel eine Bar?“
„Aber du darfst doch bestimmt nicht das Gelände verlassen!“
„Komm! Ein kleiner Spaziergang wird mir gut tun.“
„Ja ja, und außerdem bist du scharf auf ein Bier.“
„Wie gut Du mich kennst, Bücherwurm.“
„Na gut, Meisterdetektiv.“ Freni hakte sich bei ihm ein, und sie gingen ins Dorf. Die Luft war mild für die Jahreszeit.
Ihr Hotel entpuppte sich als Gaststätte mit ein paar Fremdenzimmern darüber und hieß „Schinderhannes“. Es war unübersehbar, dass sie aus der nahen Klinik kamen - Brasko im "Dittsche-Outfit": über dem Schlafanzug trug er einen gestreiften Bademantel.
„Aaaaaahh, tut das gut!“ seufzte Brasko nach dem ersten Schluck. Er trank ein großes Helles. Freni begnügte sich mit einem Kaffee. Sie hatten sich etwas abseits an einen kleinen Tisch gesetzt.
„Und was hast Du jetzt vor?“
„So schnell wie möglich nach Hause.“ Brasko nahm noch einen kräftigen Zug und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. „Das Leben geht weiter.“
„Du wirst Dich nie ändern, was?“
„Wer weiß. Bundespräsident werde ich sicher nicht. Ob ich dieses Detektiv-Ding noch lange durchziehe ...“ Brasko stockte, er hielt sich krampfhaft am Bierglas fest. Das Thema war ihm unangenehm. „Gut, dass wir schon Mitte Februar haben“, sagte er ablenkend, „ich warte auf den Frühling. Insofern war es nicht schlecht, dass ich ein paar Wochen verpennte.“ Er lächelte, aber Freni entging sein trauriger Blick nicht.




IX


Sehr geehrter Mr. Brasko,

ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und Ihre Diskretion. Gleichzeitig entschuldige ich mich für die Ihnen entstandenen Unannehmlichkeiten. Wie ich erfuhr, befinden Sie sich auf dem Weg der Besserung. Das freut mich sehr.

Ich überwies einen Geldbetrag auf Ihr Konto, der Sie hoffentlich ein wenig für die erlittenen Schmerzen und eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen entschädigt.

Bitte forschen Sie nicht weiter nach. Alles wendete sich zum Guten. Betrachten sie Ihren Auftrag für erledigt.



Mit besten Grüßen und Genesungswünschen,

B.





Neben einem Haufen Rechnungen fand Brasko diesen anonymen Brief in seinem Briefkasten. Es war ein gutes Gefühl nach so langer Abwesenheit wieder zuhause zu sein. Vom ersten Quartal des Jahres 2012 hatte er zwei Drittel sozusagen verpennt. Ein komisches Gefühl: Anfang März, die Krokusse blühten. Er würde noch einiges zu verarbeiten haben von dem Fall, an den er sich nicht mehr erinnern konnte. Sein gesamter Krankenhausaufenthalt kam ihm unwirklich vor: Oberarzt W., Schwester Bettina, der Förster, die Mumie, Frenis Besuch … Aber wenn er die Narben an seiner Schulter betrachtete, wusste er, dass er das alles nicht geträumt hatte. Phantasie und Wirklichkeit – wo war die Grenze? Vielleicht existiert diese Grenze nur in uns(?)
Auf Braskos Bankkonto war wirklich eine stattliche Geldsumme eingegangen. Doch das meiste würde für die Bezahlungen der Rechnungen draufgehen. Es war auch eine Rechnung von der Schwarzwaldklinik dabei. Brasko grinste: Das Leben hat mich wieder! Was auch immer das bedeutet …

Freni hatte vor ihrer Abreise was angedeutet. Sie sprach von der toskanischen Insel Giglio und einem Schiffsunglück, dass dort stattgefunden hatte und von einigen Merkwürdigkeiten, denen man vielleicht mal auf den Grund gehen sollte.
Braskos Blick fiel auf den halben Kasten Bier unter seinem Schreibtisch. Er öffnete eine Flasche und träumte vor sich hin.




(Januar 2012)

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