Der Zuhörer
Nachdem eine alte Bekannte über das Wochenende
zu Besuch war, kam mir die Idee für einen
Nebenverdienst:
Zuhörer
Ich stand noch unter dem Eindruck ihres
nicht abreißen wollenden Redeschwalls
Wenn ich etwas einwendete
ließ sie mich nicht ausreden
Sie fand sogleich den Faden wieder
Sie kübelte in selbstdarstellerischer Manier
ihren Seelenmüll vor meine Füße
Einen Tag und eine Nacht
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, atmete ich auf
Ich öffnete die Fenster
weil ich das Gefühl hatte, sie hinge noch in der Luft
Mein Kopf fühlte sich wie ein
unaufgeräumtes Zimmer
Ich hatte einen Kloß im Hals
In meinen Ohren hallte ihr Gekeife nach
Mein Gott, war ich durch den Wind
Solche Freundschaftsdienste schlauchten
mehr als Sex, da man nichts zurückbekam
Wie wäre es, dachte ich, wenn man sich als
Zuhörer
bezahlen ließe?
Wäre das nicht neben dem ganzen Therapeutenquatsch
eine Marktlücke?
Mir gefiel die Idee zusehends, denn ich hielt mich
nach dem Besuch meiner Bekannten für begabt
Ich wollte für ein weibliches Klientel
die Ohren aufhalten
Der Anzeigentext würde in etwa wie folgt lauten:
„ Werden sie von Ihrem Ex-Mann tyrannisiert?
Schaut Ihr Partner lieber Fußball, als mit Ihnen zu reden?
Hängt ihr Partner an der Flasche
und nicht an Ihnen?
Vermissen Sie Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit
von ihrem Partner?
...
Ich schenke Ihnen ein offenes und diskretes Ohr
für Ihren angesammelten privaten Frust.
Widerspruchslos und ohne Hintergedanken.“
Meine Bekannte würde ich so schnell nicht mehr
einladen
Das war mir eine Lehre
Als Zuhörer ist man der Arsch
Warum reden sie nicht mit ihrer Toilettenspülung?
Aber das ist wohl nicht dasselbe
(2005)
bonanzaMARGOT - 11.08.2007 19:32
Ohr abbeißen
ohr langsam abkauen ...
gruß
bon.