hildegard unter der weltraumdusche




hildegard gähnte und betrachtete den fixsternhimmel.
obwohl der raumgleiter mit 20 prozent lichtgeschwin-
digkeit durch das vakuum fetzte, blieb das bild des
nachthimmels gleich. ewig gleich. auf dem bildschirm
flimmerte eine alte sciencefiction-marotte: „das fünfte
element“ mit bruce willis. aus dem vorletzten jahrhundert.
hildegard liebte diese klassiker – vor allem aber bruce
willis. so eine raumreise ist scheißlang, dachte hilde-
gard bei sich und schlürfte von dem pina colada, der
auf der ablage neben ihrem pilotensitz stand.
auch ihre 2 töchter kamen ihr in den sinn, für deren
zukunft sie diese langweilige plaquerei auf sich nahm.
während für hildegard nur wenige stunden auf ihrer reise
vergingen, verstrichen zuhause tage, manchmal ganze wochen.
wenn ich mit diesem job weitermache, reflektierte hildegard
halb amüsiert, halb melancholisch, werden meine töchter
älter sein als ich - und dann können sie mich finanzieren
- verdammt, ich liebe euch!

als hildegard sich nach geraumer zeit weltvergessen ihre augen rieb,
blinkte plötzlich auf ihrem bildschirm der schriftzug. „meteoritenalarm!“
auf. augenblicklich war sie hellwach. aus den weiten des raums be-
wegte sich ein nebel auf sie zu. sofort war ihr klar, dass sie nicht
ausweichen konnte. statistisch gesehen war sie in diesem mo-
ment zu 90 prozent tod.
der meteoritenschwarm erwischte den gleiter frontal, und
der gravitationsschild , der die silbrige außenhülle un-
sichtbar umgab, schäumte in wildem funkenhagel weiß auf.
von der gleißenden lichtflut geblendet, verdeckte hildegard
mit dem unterarm schützend ihre augen. sie spürte keine
vibrationen im innern. es war, als würde sie durch butter
fliegen. aber ein zu fetter brocken würde den schutz-
schild wie eine überdimensionale gewehrkugel durchschlagen.
vergangenheit, gegenwart und zukunftsvorstellung gefroren in
hildegard augenblicklich zu purer überlebensangst. der speichel
rann ihr aus den mundwinkeln. das kopfkino tillte. hildegard schrie.
sie klammerte sich an die statistischen 10 prozent und presste
ihre schenkel zusammen. ein klarer gedanke war unmöglich.
der raumanzug absorbierte die austretenden körperflüssig-
keiten. komischerweise dachte sie kurz vor der ohnmacht,
wie sie ihren töchtern von ihrem erlebnis erzählen würde:
„als ich einen meteoriten küsste ...“

der spuk war so schnell vorbei, wie er gekommen war.
hildegard und ihr raumgleiter hatten die seltene attacke unbe-
schadet überstanden. das ewige fixsternbild lag wieder
stoisch im blickfeld. aber ja, ich liebe euch wirklich, dachte
hildegard wieder bei sich und löste die gurte ihres sitzes. ihr werdet
mir das jetzt doch gönnen. sie grinste, während sie auf die
toilette wankte. der raumanzug rutschte von ihr herab, bleischwer
und verkrümelte sich zu ihren füßen zu einem faltengewürm.
hildegard registrierte diese bilder mit nie gefühlter intensivität.
sie stellte die brause an. der wasserschauer erfasste ihren nackten
leib mit wohliger wärme. scheiße, dachte sie, während sie
sich abseifte, bruce, du wärest mein traummann gewesen
...




05.04.2002 14:44 von margot

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