Verzweifeltes Spiel
Das Faszinierende am Glücksspiel ist, dass es wirklich eine Wahrscheinlichkeit gibt zu gewinnen.
Und sogar eine Wahrscheinlichkeit für eine Glückssträhne.
Die im Chicago gewonnenen Asbach hauten mich gestern um.
Es war mal wieder Wochenende. Ich war arbeitslos.
Ich hatte mal wieder Uschi vor die Tür gesetzt.
Es sah mal wieder endgültig aus.
Am Sonnabend saß ich daheim allein auf einem Kasten Bier und hatte nichts besseres zu tun als dieses "Bierkasten - Setzspiel": Volle Flasche raus, leere Flasche rein. Der Tag war elend lang und fad.
Es regnete Blätter. Der Himmel sah aus wie eine riesige Pfütze.
Irgendwann am Nachmittag hatte ich Armin am Telefon, und ich redete die ersten Worte.
Armin sagte, er wäre erledigt, völlig fertig. Also legte ich wieder auf und schmiss mich - mal wieder - vor die Glotze. Boris Becker spielte und verlor. Ich fühlte mich ein wenig nach Tod, wenn es das gibt.
Ich glotzte bis Sendeschluss, zombiemäßig. Als ich die leeren Bier zählte, kam ich auf einen Schnitt von einem pro Stunde. Ich hatte ein gutes Level erreicht. Noch kein bisschen müde wählte ich Bukowski als Gutenachtlektüre. So long.
Sonntag. Ich wollte unbedingt was auf die Beine stellen. Zumindest wollte ich die Stellenanzeigen durchgehen. Und ich wollte unter Menschen, mal wieder ein paar Worte wechseln, ein Lächeln einfangen und so - vielleicht zocken, locker vom (Bar)Hocker. Es könnte ja sein, dass sich etwas ergab, was einen die ganze Sache leichter nehmen ließ. Aber meistens endete es in Alkohol und Selbstbetrug.
Meistens war die Sonne schon untergegangen, bevor sie überhaupt aufging. Meistens fühlte ich mich nach Arschgesicht.
An diesem Sonntag zerriss am frühen Nachmittag der Wind die Wolkendecke. Die Sonne schien auf all den Dreck und hatte überhaupt nichts heiteres. Ich trank ein Bier nach dem anderen und hörte verstaubte Rockmusik. Eigentlich sollte ich mich langsam auf den Weg machen, dachte ich, da rief mich Armin an und sagte, dass er Lust aufs Billard hätte. Scheinbar war er besser drauf als am Vortag.
Wir spielten Billard. Armin gewann, aber er geriet schon bald ins Schwanken. Nach wenigen Spielen verschwand er per Taxi von der Bildfläche. Er hielt nie besonders lange durch. Ganz anders ich - ich versoff an der Bar weiter meinen Verstand.
Auch im Chicago verlor ich.
Ich hatte meine Freundin verloren und meinen Job geschmissen.
Scheiß Spiel!
Danach verfiel ich in die übliche Säuferlethargie.
(1993)
bonanzaMARGOT - 24.10.2008 12:34