Der mit dem Barhocker tanzt
Ich hörte von einem Stadtindianer, der mit seinem Barhocker auf dem Rücken von Kneipe zu Kneipe zog.
Ich begegnete ihm nie, aber man zeigte mir die Plätze, wo er gewohnt war, seinen Hocker abzustellen.
Er nannte sich selbst: "Der mit dem Barhocker tanzt".
Vielleicht war ihm dieser Namen auch scherzhaft von den anderen Kneipengästen verliehen worden, denn er war sehr schweigsam.
Nur manchmal, da stellte er solche Fragen in den Raum wie:
"Warum erscheinen Dinge, die weiter weg sind, kleiner?"
Er nahm die Rolle des komischen Kauzes ein, den man besser in Ruhe ließ, und hinter dessen Rücken man schmunzelte oder den Kopf schüttelte.
Er fiel sonst nicht auf und drängte sich nie zwischen die Zoten reißende Stammkundschaft.
"Der mit dem Barhocker tanzt" kam meistens am frühen Nachmittag und verschwand, wenn es dämmerte. Selten blieb er länger.
Und immer blieb er stumm - bis auf diese Fragen; und das deuteten einige so, dass er, wenn er die Fragen stellte, genug hatte.
"Warum ist gestern nicht heute?" war so eine Frage.
"Weil heute nicht morgen ist", lallte ein Betrunkener, "und weil es überhaupt jeden Tag schlechter wird: die Frauen, das Bier, die Politik, die ganze scheiß Welt ..., alles wird ständig schlechter, Tag für Tag, gestern, heute - hick!"
Die hölzerne Sitzplatte des Barhockers war grau gesessen, und der Lack fast überall ab.
Ich versuchte ihn mir vorzustellen, diesen Menschen mit dem Barhocker. Ich reihe ihn ein in die Legionen von Gesichtern an einer Endlostheke. "Der mit dem Barhocker tanzt" befindet sich irgendwo zwischen ihnen, und er fällt, so gesehen, nicht weiter auf.
Stumm sitzt er an seinem Bier. Wenn er dann genug hat, stellt er eine Frage in den Raum:
"Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Leben und Tod?"
(17.09.2000)
bonanzaMARGOT - 23.03.2009 10:28
Nante - 23.03.2009 18:16
bon,
Deine Prosatexte ( das ist einer) werden immer besser....
die Rolle des Beobachters ( Er-Erzählungperspektive als erzählendes Ich ) hältst Du gut durch
und erst die letzte Frage wird in der Ich-Perspektive direkt an den Leser gestellt ....
""Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Leben und Tod?""
und das kann jede/r nur für sich selbst beantworten ... als ein Gesicht unter vielen " Barhockern", die mit sich selbst tanzen .
ein feiner Text .....
die Rolle des Beobachters ( Er-Erzählungperspektive als erzählendes Ich ) hältst Du gut durch
und erst die letzte Frage wird in der Ich-Perspektive direkt an den Leser gestellt ....
""Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Leben und Tod?""
und das kann jede/r nur für sich selbst beantworten ... als ein Gesicht unter vielen " Barhockern", die mit sich selbst tanzen .
ein feiner Text .....
bonanzaMARGOT - 23.03.2009 18:21
danke nante.
der text ist von 2000. ich überarbeitete ihn nur ein wenig.
der text ist von 2000. ich überarbeitete ihn nur ein wenig.
originale
da war z.b. detlev, ein prachtvolles mannsbild, 1,90m, hätte gut ein dressman sein können. wenn er sein pensum an alkohol intus hatte, fing er an: "ihr kleinen arschlöcher!" und das wiederholte er desöfteren und lachte. ich mochte ihn. er war nicht aggressiv, konnte keiner fliege was zu leide tun.
als er sich nackt auf den billardtisch legte, bekam er schließlich hausverbot - schade ...