Der Ich-Trick




Wie kann die Marionette den Marionettenspieler austricksen?
Könnte sie die Fäden kappen, fiele sie in sich zusammen.
Sie fungiert als das sichtbare Abbild von dem Drahtzieher, der im Schatten steht.
Die Marionette müsste sich von seinem Herrn emanzipieren.
Aber dazu muss sie sich erstmal ihres Marionettendaseins bewusst werden.
Und was dann?
Wäre die Marionette freier, wenn sie wüsste, wie abhängig sie ist?
Oder würde dieses Wissen sie nur in Verzweiflung stürzen?
Vielleicht gäbe es eine Möglichkeit, wenn man wüsste, was der Marionettenspieler will.
Die Marionette kehrt die Vorhersehbarkeit Macht ihres Geistes einfach um.
Ich schätze: genau diesen Trick nennen wir
gemeinhin Bewusstsein.
Die Marionette auf dem Weg, ihre eigene Sprache zu finden.


(18.04.2010)

SehnsuchtistmeineFarbe - 18.04.2010 12:44

was,

wenn die marionette nur ein trick des verstandes ist und sie an gar keinen fremden fäden hängt?

bonanzaMARGOT - 18.04.2010 12:48

du meinst: der verstand fickt sich selbst?
SehnsuchtistmeineFarbe - 18.04.2010 12:53

ja

bonanzaMARGOT - 18.04.2010 13:05

ich versuchte lediglich mit meinem prosagedicht dem geheimnis und der merkwürdigkeit der ich-identität näher zu kommen, indem ich das bild der marionette heranzog.
wir sind ja nicht nur in der verflechtung mit unserem unterbewusstsein marionetten, sondern wir sind ebenso marionetten von äußeren strukturen wie familie, staat, religion, firma etc.
der verstand sollte als werkzeug dazu dienen, diese abhängigkeiten und wechselwirkungen sichtbar zu machen und nicht zu verschleiern.
SehnsuchtistmeineFarbe - 18.04.2010 13:12

das sehe und empfinde ich eben anders...

bonanzaMARGOT - 18.04.2010 13:24

es ist wunderbar, dass man dinge anders sehen kann.
in meinen gedichten will ich keine fundamentalen statements als gegeben anpreisen, sondern ich will zum nachdenken und fühlen anstoßen - über die konvention hinaus.
SehnsuchtistmeineFarbe - 18.04.2010 13:26

ich finds furchtbar eng,

...die vorstellung eine marionette zu sein.

es geht ja nicht um richtig oder falsch, sondern darum sich auszutauschen, sich mit-zu-teilen, - finde ich.
bonanzaMARGOT - 18.04.2010 13:41

du hast recht, dass die vorstellung an fäden zu hängen, welche von einer macht über oder hinter uns geführt werden, wenig attraktiv ist.
aber so ist das nun mal mit erkenntnissen - sie gefallen nicht immer, und passen auch nicht immer in den zeitgeist.
wir erinnern uns an kopernikus etc.

es geht, wie du es sagst, um die kommunikation, gerade wenn wir uns mit unseren gefühlen darstellen wollen - das ist eben keine konkrete wissenschaft.
fata morgana - 18.04.2010 13:24

das bild der marionette, habe ich in meiner letzten partnerschaft oft vor augen gehabt. weil ich immer wieder so'funktioniert' habe, wie es von mir erwartet wurde...
wenn sich die marionette dessen einmal bewusst wird, kann sie lernen, allein zu gehen....ganz bestimmt !

ganz liebe grüße an dich und einen guten sonntag :-)

bonanzaMARGOT - 18.04.2010 13:43

danke fata morgana,
ja, das meine ich mit emanzipation, um danach den schritt der befreiung zu machen, seine eigene sprache zu finden.
testsiegerin - 18.04.2010 14:18

wäre sie frei, wäre sie gleichzeitig tot. weil sie halt nun mal abhängig ist von den fäden, die sie bewegen und von dem, der sie zieht.

nicht immer kann man entscheiden, was man tut, aber immer, wie man es tut (ist so ein verdammt kluger spruch, der einem das leben manchmal schwer macht). die marionette könnte sich also dafür entscheiden, es zu genießen, dass sie durchs leben getragen wird, dass jemand sie bewegt und sie sich nicht selber anstrengen muss. sie könnte sich bewusst werden, dass sie in ihrer position nicht machtlos ist, sondern auch der marionettenspieler sie braucht. was wäre er ohne marionette? die abhängig ist also wechselseitig, das macht es vielleicht für die marionette leichter.

bonanzaMARGOT - 18.04.2010 14:31

hallo testsiegerin!

vorallem weil ich mir die marionette als das lichtgewordene spiegelbild des marionettenspielers vorstelle ...
wie ich es in dem prosagedicht schrieb, das kappen, durchschneiden, der fäden führt zwar zur freiheit aber gleichzeitig zum tod.
darum interessiert mich die frage, ob man in der reflektiertheit, also mithilfe seiner gedankenfreiheit, eine verbindung zu dem marionettenspieler erfährt, welche das abhängigkeitsverhältnis sozusagen aufhebt.
(die buddhisten nennen diesen zustand womöglich nirwana.)
monehartman - 18.04.2010 20:21

...

hey bonanza, bin gerade im forum 'literarchie' über einen beitrag von dir gestolpert und dachte, ich schau mal wieder in deinem blog vorbei. (bei literarchie bin ich auch neu registriert, habs über twitter entdeckt, scheint mir ein interessantes forum zu sein). -

marionetten. dein text erinnert mich an eine länger zurückliegende zeit, in der ich mich eines abends auch ganz deutlich als eine marionette fühlte, und mich auch ganz bildlich als solche sah... die fäden zog eine psychische erkrankung. war wie ferngesteuert. -
wer sind die marionettenspieler, so im allgemeinen? ich denke, es gibt mehrere. möglicherweise auch solche, die wir (noch?) gar nicht als solche erkannt haben.

liebe grüsse aus dem sonntagabend,

mone

bonanzaMARGOT - 19.04.2010 09:37

hallo mone!

ja, es gibt eine reihe von dingen, an denen wir hängen - wie marionetten - und wissen es nicht mal, oder spüren die abhängigkeit erst, wenn es schmerzhaft wird.

viel spaß in der literarchie! etwas ruppig der umgang dort mitunter, aber die meisten literarchianer(innen) haben ihr herz auf dem rechten fleck.

dir einen schönen start in die woche
bon.

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