die große allianz



sitzungsprotokoll 01.10.1998
einleitung durch den vorsitzenden:ich beschließe heute das bündnis zum erlangen eines leichteren körpergewichts, zur allgemeinen aufmöbelung des gesundkörpers, sowie zur besseren repräsentation gegenüber anderen gesundkörpern – vornehmlich der weiblichen rasse. zwingend eingeladen zur diskussion sind folgende parteien: das laster (vertreten durch den suff, die freßlust und die faulheit), die eitelkeit (wie immer vertreten durch sich selbst), der verstand (vertreten durch mich), die vernunft (ebenso vertreten durch sich selbst), der gesundkörper (vertreten durch die gliedmaßen, den rumpf, das gesicht, die haut und die innereien), der sex (vertreten durch das sexualorgan), die liebe, die seele, das herz (die sich nicht einigen können, wer durch wen vertreten wird).
ich bitte nun die fürsprecher der genannten parteien zu tisch – äh – an den tisch zum gespräch, damit im konsenz der beteiligten eine beständige und erfolgsträchtige strategie zur reduktion des körpergewichts auf den weg gebracht werden kann.

alle parteien finden sich vollständig ein mit ausnahme des suffs, der sich mit den worten entschuldigt:
„mir fällt was besseres ein, als diesen neumodischen kram mitzumachen. so `ne floskel um der floskel willen. der mensch brauch so was alle paar jahre, um sich wieder moral einzuhauchen. soll er. ich sag euch was, an mir führt –eh- kein weg vorbei, haha.“

sitzungseröffnung durch den vorsitzenden:
„ich eröffne die sitzung und bitte die anwesenden der reihe nach um eine kurze stellungnahme – äh, ich spüre tatsächlich den suff, obwohl gar nicht anwesend ...
also meinetwegen, sagen sie einfach was. wie wär`s mit ihnen, vernunftt?“ ich schlage der vernunft väterlich auf die schulter, die daraufhin zusammenzuckt und reserviert näselt.
die vernunft:“ich kann nur für mich reden – wie immer bei solchen anlässen, wenn die karre im dreck hängt. mit dem verstand ist es ja aus bekannten gründen nicht weit her, und dass sich der wichtigste widerpart unser anliegen betreffend verweigert, ist nur bezeichnend ...“
die eitelkeit:“ich will euch mal was sagen, wenn wir nicht bald was unternehmen, stürze ich mich aus dem fenster. 10 kilo müssen runter! das fordere ich unbedingt, damit ich wieder aufblicken kann, und ihr wisst, das käme uns allen zugute.“
die freßlust:“ich bin ja ganz ruhig.“
die faulheit:“blast euch bloß nicht so auf. ich leiste meinen beitrag nur, wenn man mich anständig behandelt.“
der rumpf:“also, ich passe in keine hose mehr. da muß sich was ändern! meiner meinung nach sind`s der suff und die freßlust, die uns das eingebrockt haben.“
die inneren organe (im chor):“genau, die muten uns ganz schön was zu mit ihren ausschweifungen.“ das rektum furzt zur untermalung der worte.
die eitelkeit:“pfui teufel!“
ich:“somit hast`s auf den punkt gebracht. wenn nur der suff nicht wäre. er ist da und doch nicht da, gottverdammte sauerei!“
der penis:“und ich? wozu bin ich eigentlich noch da? du bringst nichts anderes fertig als diese händeschüttelei. soll das meine letzte bestimmung sein? eines tages falle ich ab, wie eine faule frucht. ich bin die ausgeleierte drehtür, durch die unmengen bier das weite suchen. was interessiert mich der suff am arsch der welt? ich möchte meiner göttlichen bestimmung gerecht werden: eine muschi am rechten ort, und ich werde hart wie ebenholz. wenn`s 10 kilo kosten soll, okay, dann stimme ich ein. fuck it!“
die seele:“soviel redefluß, soviel poesie hätte ich dir gar nicht zugetraut. ihr wisst, dass ich euch alle durchdringe, sozusagen beseele. mir ist es egal, welche profanen zwistigkeiten gerade mal anstehen. wir gingen schon durch viele dick und dünns. ich beseele ohne unterschied, darum bin ich unsterblich! mein gott, wo kommen wir denn hin, wenn uns ein paar kilo zuviel zur verzweflung bringen?!“
die seele wendet sich an mich:“gerade du, mein lieber verstand, hast doch ganz andere möglichkeiten.“
ich:“manchmal fühle ich mich von dir so beseelt, dass ich glaube, verrückt zu werden. was soll das ganze brimborium um das leben, den menschen ...? ich blicke in die welt und sehe nur unsinn und kampf, kampf und unsinn. wofür das alles?“
die liebe:“du vergisst mich.“
das herz:“und mich! ich schlage für dich und schicke den lebenssaft bis in den letzten winkel deines leibs. höre auf mich, höre auf dein herz.“
die gliedmaßen (im chor):“jawohl, schluß mit der jammerei und dem selbstmitleid.“
beine und arme strecken sich wohlig in alle richtungen.
die vernunft:“der verstand ist benebelt durch den suff. wäre der suff zugegen, würde ich ihn am kragen packen, den sauhund!“
ich:“doch, er ist da und doch nicht da. irgendwie drehe ich mich im kreis – oje.“
die eitelkeit:“weit bist du heruntergekommen, verstand, du als unser denker und lenker bist mutlos und verwirrt. die einladung an diesen tisch war wohl ein alibi, um deine kompetenz an uns abzugeben. ich schäme mich für dich. am liebsten würde ich aus dem fenster springen vor lauter wut!“
die seele (während die faulheit vernehmlich flüstert:“spring doch!“):
„mach mal halblang, lieber freund, dir geht es nur um äußerlichkeiten, um den status und um selbstgefälligkeiten – wie profan das ganze. also spiel dich nicht so auf, und aus dem fenster springst du nie!“
die eitelkeit:“du hast gut reden. dir ist doch sowieso alles egal, wie unsereins herumläuft mit schlapprigen klamotten, um den bauchansatz zu verbergen. aus purer bequemlichkeit, weil der herr zu träge ist, den arsch hochzukriegen!“
die faulheit:“das gelabere macht mich müde. lasst uns schlafengehen.“
die freßlust:“aber vorher sollten wir noch einen happen essen. wie wär`s mit einem blick in den kühlschrank?“
ich:“kein so schlechter beitrag – äh – hiermit vertage ich die sitzung. die allianz ist besiegelt. und den suff kriege ich auch noch an den tisch – gääähn. wir dürfen da nichts überstürzen. die ergebnisse werden sich nach und nach einstellen.“

die versammlung löst sich auf. ein kleiner tumult entsteht. die eitelkeit springt erbost auf den tisch und ruft:“ihr unterlauft unser anliegen! warum sind wir denn überhaupt zusammengekommen?“
kurzerhand packen freßlust und faulheit die aufmüpfige eitelkeit, schleifen sie zum fenster, und ab geht die post! „verpiß dich! wir brauchen dich nicht, du popanz!“ rufen sie hinterher.ich schaue zu. mein herz pocht heftig, aber ich unternehme nichts. ich hoffe, dass die eitelkeit nicht zu tief stürzte. die vernunft mischt sich vernünftigerweise nicht ein. die leber stupst mich an die rechte seite und ermahnt mich. alles geht sehr schnell. freßlust und faulheit kehren breitgrinsend vom fenster zurück. „also los!“ fordern sie mich auf.
ich gebe die nötigen befehle an die gliedmaßen, welche mir immer noch bedingungslos gehorchen. zieleingabe: kühlschrank, 5m wegstrecke. ich nehme mir eine dose bier heraus, setze einen topf wasser auf und gebe 250 g spaghetti hinein. während die nudeln köcheln, trinke ich das bier und lasse die seele baumeln.



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