Streifschuß
Es wird gestorben
Die Seelen verwandeln sich in Raben
Hinter dem Altenheim liegt der bewaldete Berghang
wie eine wogende Wand.
Am späten Nachmittag treffe ich mich mit einer Arbeitskollegin
zum Bierholen.
Ich habe kein Auto.
Ihre ersten Worte nach der Begrüßung:
„Hast du das von Marina schon gehört?“
„Nein.“
Und sie erzählt mir, dass sie heute Morgen im Krankenhaus
verstarb.
Sie hatte Lungenkrebs.
Zuletzt hing sie an der Beatmungsmaschine.
Marina war die dürre Putze mit den schlechten Zähnen.
Sie war freundlich zu den Alten
und zu uns.
„Es wird viel gestorben“, sage ich.
Schneegestöber im Scheinwerferlicht.
Wir sitzen nachdenklich im Auto, auf der Straße
im stockenden Verkehr.
Ich mag das Sterben nicht. Ich weiß nicht,
was ich davon halten soll.
Manchmal kommt es wie aus heiterem Himmel,
und manchmal ist es wie das scheinbar endlose Warten
vor einer roten Ampel.
Wir zählen die Namen der Bewohner auf, die in den
letzten Wochen starben.
Jedes Mal verschluckt der Wald hinter dem Altenheim
einen Menschen.
Die Seelen der Toten verwandeln sich in Raben.
Die Raben warten.
Eines Tages warten sie auf uns.
Ich bin froh, dass mich meine Arbeitskollegin zum Getränkemarkt
kutschiert.
Schnell lade ich zwei Kisten Bier ein.
„Hast du heute Nacht?“ fragt sie.
„Ja. Eine noch.“
Alles ist besser, als sterben, denke ich,
und lasse mich mit meinem Bier vor meiner Haustüre absetzen.
Ich bedanke mich.
Ich habe das Gefühl, dass
ich mich für alles bedanken muss.
09.02.2006 13:47 von bonanza
bonanzaMARGOT - 11.02.2007 19:21
so viel Güte ist in dir
hast du dir diesen ort im leben ausgewählt -oder er dich
weil nicht jeder es dauerhaft erträgt
in dem der tot
alltäglich dir und euch zu seite steht
atemnah inhalierst du ihn seit jahren tag für tag
ausnahmezustand im alltagskleid
oder ist es der alltag der uns anderen, nur als ausnahme
von aussen besehen, erscheint?
hast du heute nacht zeit? zu leben zu lieben
mit mir ...