wartezimmer




mich kotzt diese wartezimmeratmosphäre in unserer welt an.
der unterschied zu herkömmlichen wartezimmern ist, dass
keiner so schnell drankommen will. die wenigsten haben
einen festen termin. es ist kein zufall, dass die sprechstunden-
hilfen des todes sehr verführerisch ausschauen. sie wippen
in ihren weißen kitteln an uns vorbei, und charmant bedeuten
sie dem nächsten, wo er sich zur letzten ruhe betten soll.
ich schaue den wippenden pobacken hinterher und denke,
dass ich noch lange nicht drankomme – was sich allerdings
nur zu schnell als irrtum herausstellen könnte.
irgendwo in der endlosen reihe der wartenden steht der auf-
gerufene auf und folgt seiner wichsvorlage ins grab.
als ich klein war, war ich mir des ortes meines daseins
keinesfalls bewusst. ich glaubte noch an das „onkel-doktor-
spiel“, und der doktor hatte einen langen, weißen bart und
schaute gütig. nun, nach 35 jahren habe ich alle illustrierten
vom stapel mehrmals ausgelesen. ich gucke mir nur noch
die bilder an. der bart ist ab. „das kapital“ ist ätzende
pflichtlektüre im wartezimer, und manche mögen glauben,
dass sie sich eine längere wartezeit erkaufen können – durch
bestechung. ich wünsche mir nur eine „bestechung“, denke
ich, nippe an meiner bottle bier und träume prallen, weißen
popos hinterher.
ist doch irgendwie paradox, dass das, worauf man(n) am
spitzesten ist, gerade wieder ein neues menschenkind zu
tage fördern könnte, welches sich sofort in die schlange
der wartenden einreiht. „was macht ihr alle nur?“ fragt
das neue menschenkind, und ich antworte: „wir schlafen
den vorschlaf vorm ganz großen schlaf, mein kind ...
und dabei träumen wir unsere erfüllten und unerfüllten
wünsche.“
puuuh, ich blättere mit schweißiger hand weiter.
ich begreife es einfach nicht, was „leben“ heißt. ich gehe
in den hungerstreik . verdammt! ich habe das gefühl, dass
ich noch lange nicht dran bin.




Freni - 11.10.2007 19:54

Wartezimmer

"ich begreife es einfach nicht, was „leben“ heißt"

Na zum Beispiel die wippenden Pobacken und alles was dazugehört. Aber du scheinst dich ja lieber an der Bierflasche festzuhalten, zu warten und nachzudenken.

Das Wartezimmer scheint dein perfekter Lebensraum zu sein ;-)

Bis dann....Freni

bonanzaMARGOT - 11.10.2007 20:24

meinst du,

dass du mich damit erkannt hast?
bonanzaMARGOT - 12.10.2007 13:41

schon möglich,

dass ich dann und wann die bierflasche einer frau vorziehe. das liegt aber nicht an der bierflasche.

freni, ich schrieb den text "wartezimmer", weil ich manchmal das menschliche leben mit seinen künstlichen ambitionen und aufregungen furchtbar sinnlos finde. ich erlebe das rumgequatsche der menschen nun schon ein paar jahrzehnte lang, und wie ich es in dem text sage - die zeitschriften habe ich schon alle durch - langweilt mich inzwischen das meiste. dummerweise kann ich mich weder am briefmarkensammeln oder an einem anderen hobby begeistern. ich bin völlig interesselos.
ich warte. du hast recht, ich richte mir mein eigenes wartezimmer ein. ich tausche die zeitschriften auf dem tisch aus und huldige dem müßiggang.

gruß
bon.
Freni - 14.10.2007 17:01

Versuch

"meinst du,dass du mich damit erkannt hast?"

Nein, noch lange nicht. Es war nur der Versuch einer Interpretation. Scheint mir wohl nicht gelungen zu sein.

Bis dann!
Freni

Freni - 14.10.2007 17:29

"warten auf das nichts"

"ich bin völlig interesselos.ich warte. du hast recht, ich richte mir mein eigenes wartezimmer ein. ich tausche die zeitschriften auf dem tisch aus und huldige dem müßiggang."

".....wenn man nichts mit sich anzufangen weiß, ist die Folge, dass es das Nichts ist, das nun etwas mit einem anfängt...." schreibt Rüdiger Safranski.

Die Menschen haben Angst vor dem Nichts und flüchten sich in reges Treiben. Sie tun etwas, um von sich behaupten zu können: "ich langweile mich nicht". Sie besuchen Volksfeste, sind Mitglied eines Sportvereins, sie singen im Chor usw. Und du schreibst eben. Ich finde das weitaus spannender und interessanter. Schon alleine deshalb, weil deine Texte einfach interessant sind und mich zum nachdenken anregen. Ist das Nichts?

Bis dann!

PS: Ich fühle mich übrigens mit diesem Zitat von Logan Pearsall Smith sehr verbunden:
"Die Leute sagen, das Eigentliche sei das Leben, ich ziehe jedoch das Lesen vor."

bonanzaMARGOT - 14.10.2007 19:06

hi freni,

in unserer gesellschaft (eigentlich auf der ganzen welt) werden tätigkeiten unterschiedlich gewertet.
mein vater ließ zb. nur die schulbuchlektüre gelten. die karl may bücher schmiß er aus dem fenster. meine mutter hatte es nicht leicht, sich als bildungsanwalt für uns kinder zu behaupten. außerdem las sie selbst ganz gerne belletristik.
für meinen vater war das firlefanz.

auch heute gibt es große bevölkerungskreise, die eine rein geistige betätigung mit müßiggang gleichsetzen. keine ahnung, wo diese bildungsablehnung herrührt. aus dem nationalsozialismus?
ich gebe zu, dass ich eine menge zeit einfach verträume. ob ich nun schreibe oder lese oder einfach in die luft starre bzw. meinen mitmenschen zuschaue.
hätte ich familie, müßte ich mich stärker am riemen reißen.
das ist klar.

bis dann
bon.


ps: was das eigentliche im leben ist, sollte jeder mensch für sich entscheiden - und seinen mitmenschen nicht vorschreiben, was das eigentliche zu sein hat.
Freni - 14.10.2007 20:10

mal leidenschaftlich

Naja, mir liegt es fern zu werten. Soll jeder seine Freizeit damit verbringen was er/sie für sinnvoll halten.
Mit Menschen die gerne lesen fühle ich mich irgendwie verbunden. Leider gibt es davon viel zu wenig. Genauso ist es mit meiner Leidenschaft für die Oper. Was meinst was ich für Blicke ernte, wenn ich sage: "Ich höre und mag Oper." Für eine 40jährige Frau scheint das bei vielen Menschen so ziemlich abnormal zu sein. Egal! Mir gefällt es und nur das zählt, stimmts? ;-)

Ich kann nicht sagen, dass meine Eltern viel gelesen haben, aber das eine oder andere Buch stand schon in ihrem Regal. Merklich mehr als bei den Eltern von anderen Kindern die ich so besuchen durfte. Meine Mutter hat immer darauf geachtet, dass wir unsere Freizeit "sinnvoll" verbringen. Mir wars manchmal unangenehm, wenn Kinder aus meiner Klasse über irgendwelche Filme geredet haben, die ich nicht kannte. Meine Mutter hat immer gesagt:"mach' was vernüftiges und lies ein Buch". Sie hat mich soweit gebracht, dass ich als Kind, Bücher aus der Bibliothek ausgeliehen habe und mit den Büchern dann meine eigene Bibliothek aufgemacht habe. Ja, ist Irre. Ich habe Kärtchen in die Bücher gelegt und die Bücher an imaginäre Personen ausgeliehen.

du schreibst:
"auch heute gibt es große bevölkerungskreise, die eine rein geistige betätigung mit müßiggang gleichsetzen. keine ahnung, wo diese bildungsablehnung herrührt. aus dem nationalsozialismus?"

Ich glaube, dass viele Menschen einfach keine Lust und keinen Spaß daran haben, sich mit Literatur auseinander zu setzen. Vielleicht haben sie es auch nie gelernt zu lesen oder sie haben nie erfahren, dass lesen auch Spaß machen kann. Und Menschen sind nun mal gerne in Gesellschaft. Lesen schließt Gesellschaft aus, es sei denn alle haben gelesen, womöglich noch das selbe Buch und diskutieren dann darüber.

Am peinlichsten finde ich Menschen, die so tun als ob sie lesen toll finden, aber dann auf meine Frage:"Was liest du grade?" antworten:"naja, im momentan hab' ich grad nicht so viel Zeit."
Entweder ich lese gerne und nehme mir die Zeit oder ich laß es bleiben.

Bis dann!
Freni

bonanzaMARGOT - 15.10.2007 18:15

ja, freni,

lesen sollte freude machen und aus freien stücken geschehen.
deswegen vergällte mir das gymnasium eine ganze zeit lang mit der verordneten schullektüre das lesen - außerdem war das meine comics-lesephase.
erst in der oberstufe und nach dem abi fand ich nach und nach selbst einen zugang zu anspruchsvoller erwachsenenliteratur.
natürlich nach meinem gusto.

in den letzten jahren war ich zugegebenermaßen für meine verhältnisse relativ lesefaul. ich las nicht mehr als ein, zwei bücher pro jahr.

die oper entdeckte ich noch nicht für mich. ich würde aber gerne mal wieder ins theater gehen.

gruß
bon.

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